GxP-Blog

Ein sorgfältiger Umgang mit Spezifikationen macht pharmazeutische Produkte sicher - Teil 3

Das Thema „sorgfältiger Umgang mit Spezifikationen in pharmazeutischen Qualitätssystemen“ wird als 4-teiliger BLOG-Beitrag behandelt. Der Beitrag beschreibt, welche Kardinalfehler im Umgang mit Spezifikationen auftreten, welche falschen Annahmen existieren und wie Fehler im Umgang mit Spezifikationen zu vermeiden sind.

Spezifikationen: Werkzeug der Prozesskontrolle

Parameter des Herstellungsprozesses, die kritische Qualitätsattribute des pharmazeutischen Produktes beeinflussen, werden als kritische Prozessparameter (CPP, Critical Process Parameter) bezeichnet. Auf Grund ihrer besonderen Relevanz müssen die zugehörigen Spezifikationen so gewählt sein, dass sie eng genug sind, um mit einer ausreichenden Sicherheit die Qualitätsvorgaben für das Produkt einzuhalten. Gleichzeitig müssen die Spezifikationen weit genug sein, damit der Herstellungsprozess in einer Weise funktioniert, in der es nicht wiederholt zu Verletzungen der Spezifikationsgrenzen kommt bzw. eine beständige Produktion von qualitätskonformem Produkt möglich ist.

Für pharmazeutische Produkte ist es rechtlich gefordert, die Fähigkeit des Prozesses im Sinne einer Herstellung des Produktes gemäß den festgelegten Qualitätskriterien zu überprüfen. Die CPP mit ihren Spezifikationen sind wesentliche Elemente der Prozesskontrolle. Die Überprüfung der Prozessfähigkeit, die sogenannte Prozessvalidierung, beinhaltet daher zumindest eine Überprüfung für die Einhaltung der Spezifikationen der kritischen Prozessparameter.

Hierbei sind folgende Aspekte für die zukünftige Routineproduktion zu berücksichtigen:

Liegen die Ergebnisse der Validierungsläufe zu nah an den Spezifikations- bzw. Prozessgrenzen, muss bewertet werden, ob der Prozess trotzdem sicher ist, d. h. auch in der Routineproduktion innerhalb der vorgegebenen Prozessgrenzen verlaufen wird. Spätestens zum Zeitpunkt der Prozessvalidierung ist zu bewerten, ob die Prozessspezifikationen zu eng gewählt wurden. Trifft dieses zu, müssen geeignete Maßnahmen festgelegt werden, damit im Routineprozess das Produkt gemäß den festgelegten Spezifikationen produziert werden kann.

Zu diesen Maßnahmen muss gegebenenfalls eine Änderung der Prozessspezifikationen gehören. Dies ist in der Regel damit verbunden, dass bereits durchgeführte Validierungsläufe „invalidiert“ werden, wiederholt werden oder die gesamte Prozessvalidierung noch einmal neu durchgeführt wird. In jedem Fall sind auch die negativen Ergebnisse, z.B. in Form von Out-Of-Specification (OOS) Resultaten in entsprechenden Qualitätsmanagementprozessen (OOS-Verfahren, Abweichungsverfahren) dokumentiert zu beschreiben und zu bewerten. Hierzu gehört auch eine zusammenfassende Bewertung dafür, welchen Einfluss die OOS-Resultate auf das Ergebnis der Validierung haben und warum Validierungsläufe wiederholt werden dürfen.

Schützt Quality by Design vor Verletzung festgelegter Spezifikationsgrenzen?

Quality by Design (QbD) und Design of Experiment (DoE) sind etablierte Begriffe der modernen pharmazeutischen Entwicklung, Herstellung und Qualitätskontrolle und sind in den Qualitätsleitlinien der ICH (International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use) (Leitlinien Q8 – Q11) beschrieben.

Ziel des QbD ist es, die Qualität des pharmazeutischen Produktes vorzugsweise über eine geeignete Entwicklung und Auslegung (Design) des Herstellungsprozesses sicherzustellen, weniger über eine Testung des Fertigproduktes. Man sagt: Die Qualität wird in das Produkt und den Prozess integriert.

Durch QbD werden die auf die Qualität des pharmazeutischen Produktes wirkenden Einflussfaktoren und ihre Wechselwirkungen identifiziert. Für die praktische Umsetzung in der Entwicklung wird hierbei das Design of Experiment (DoE) angewendet, bei dem die multidimensionale Kombination und Wechselwirkung der Einflussfaktoren mit statistischen Werkzeugen wie der ANOVA (Analysis Of Variance) und ANCOVA (Analysis Of Co-Variance) untersucht wird. Durch zusätzliche Anwendung eines risikobasierten Vorgehens entsteht ein vertieftes Verständnis über die qualitätsrelevanten Zusammenhänge, auf dessen Basis wiederum die Festlegung eines robusten Herstellungsprozesses und eines geeigneten Systems der Prozesskontrolle erfolgt. Hierbei spielt die Festlegung des sogenannten Design Space eine wesentliche Rolle. Dieser Begriff beschreibt denjenigen Raum oder Bereich der möglichen Variabilität für die identifizierten Einflussfaktoren, bei dessen Einhaltung mit ausreichender Sicherheit ein Produkt mit den gewünschten Qualitätseigenschaften produziert wird.

Erfolgt eine Beantragung und Genehmigung der Pharmaherstellung auf Basis eines QbD unter Angabe eines Design Space, so ist der Pharmahersteller an diesen und die damit verknüpften Spezifikationen gebunden. Die Ergebnisse der Produktion dürfen die Grenzen des Design Space nicht verletzten. Damit schützt Quality by Design nicht vor der Verletzung von Spezifikationsgrenzen, sondern liefert nur die wissenschaftliche Begründung für den maximal zu nutzenden Spezifikationsbereich.

Der Hersteller wird aber in der Regel die Produktionsbedingungen nicht so einstellen, dass der Herstellungsprozess an den Grenzen des Design Space gefahren wird. Vielmehr werden Sicherheitsabstände integriert und auf Basis weiterer Entwicklung und Produktionserfahrung ggf. engere Prozessgrenzen festgelegt, gerade auch, wenn hierdurch eine Verbesserung von Produkt und Prozess und eine Verringerung der Variabilität sichergestellt werden können. Dies ist von der „Idee/Philosophie“ des QbD auch so gewünscht. Der Pharmahersteller hat damit die Möglichkeit seinen Herstellungsprozess im Rahmen des festgelegten Design Space zu optimieren.

Aufgrund dieser Möglichkeit und der damit auftretenden Änderungen der Spezifikationen ist grundsätzlich das Risiko erhöht, dass im pharmazeutischen Qualitätssystem z. B. Spezifikationslisten vertauscht werden, einzelne Spezifikationen „verlorengehen“, oder falsche Spezifikationen festgelegt werden. Die Verwendung von QbD und Design Space setzt voraus, dass der Hersteller möglichst früh in der Entwicklung auch ein effizientes Überwachungssystem für seine Spezifikationen und Spezifikationsänderungen etabliert. Ist dies noch nicht geschehen, so sollte es schnellstens nachgeholt werden.

Kontakt

Diese Seite verwendet Cookies, um Ihnen das bestmögliche Erlebnis zu gewährleisten. Surfen Sie weiterhin auf unserer Seite, stimmen Sie unserer Cookie-Nutzung und unserer Datenschutzrichtlinie zu.