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Ein sorgfältiger Umgang mit Spezifikationen macht pharmazeutische Produkte sicher - Teil 4

Das Thema „sorgfältiger Umgang mit Spezifikationen in pharmazeutischen Qualitätssystemen“ wird als 4-teiliger BLOG-Beitrag behandelt. Der Beitrag beschreibt, welche Kardinalfehler im Umgang mit Spezifikationen auftreten, welche falschen Annahmen existieren und wie Fehler im Umgang mit Spezifikationen zu vermeiden sind.

Welches ist die richtige Spezifikation?

Eine häufig gestellte Frage ist: Welche ist die führende Spezifikation?

Diese Frage taucht zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Produktlebenszyklus auf und verursacht wiederholte Diskussionen und nicht zu unterschätzenden Zeitaufwand für eine Vielzahl von Personalfunktionen in einem GMP-System. Die Frage stellt sich insbesondere bei der Zusammenfassung bestimmter Phasen des Produktlebenszyklus in Form zusammenfassender Berichte oder beim Einsatz von Spezifikationen als Vorrausetzung für GMP-Prozesse wie u. a. Qualifizierung von Anlagen und Validierung von Prozessen. Klassische Beispiele sind zusammenfassende Listen von Spezifikationen aus der Entwicklung von Herstellungsprozessen, aus dem Transfer der Entwicklung in die Produktion oder aus der Produktion selbst, inklusive der zugehörigen Änderungshistorie.  

Aber auch Listen wie Übersichten von Parametern und Spezifikationen im Rahmen von Herstellungsanmeldungen bei den zuständigen Behörden oder anderweitige Beschreibungen von Herstellungsprozessen, z. B. in Form von Flow Charts, liegen in der Regel zusätzlich vor.

Hintergrund der Frage nach der führenden Spezifikation ist die Unsicherheit bzw. fehlende Klarheit, welche Funktion und welchen Aktualisierungsstatus die jeweiligen Spezifikationslisten, für den Fall, dass sie zumindest teilweise gleiche Parameter beschreiben, besitzen.

Bei Prozessvalidierungen bzw. Revalidierungen sind zumindest die im Rahmen der Herstellungsprozessbeschreibung behördlich gemeldeten Spezifikationen bindend. D.h. die Validierung muss zeigen, dass der Prozess reproduzierbar und kontrolliert funktioniert und damit auch die zur „gemeldeten“ Prozesskontrolle gehörenden Spezifikationen erfüllt.

Führt der Hersteller, um die Sicherheit der Kontrolle zusätzlich zu erhöhen, intern für seine Prozessparameter engere Spezifikationen als die bei der Behörde gemeldeten Spezifikationen, so ist hinsichtlich der (Re)Validierung auf die Einhaltung der engeren Spezifikationen zu prüfen.

Die Komplexität der Frage nach der führenden Spezifikation erhöht sich weiter, wenn an unterschiedlichen Standorten der gleichen Firma das gleiche Produkt gefertigt wird und voneinander abweichende Spezifikationen existieren.

In solchen Fällen müssen ggf. „globale“ Entscheidungen dazu führen, den Grad der Einheitlichkeit bzw. der Harmonisierung der Spezifikationen festzulegen.

In jedem Fall helfen eine klare Funktionsbeschreibung und eine Visualisierung der Hierarchie und Abhängigkeiten der Spezifikationslisten inklusive der Einbindung dieser Beschreibungen in das GMP-System (Erstellung einer SOP), die richtige Spezifikation für die jeweilige Aufgabe zu wählen.

Spezifikationen überwachen und aktualisieren

Auch wenn ggf. keine regelmäßigen Änderungen an Spezifikationen erwartet werden, zwingen unterschiedlichen Gründe für die Notwendigkeit von Spezifikationsänderungen dazu, Spezifikationen zu überwachen und zumindest in regelmäßigen Abständen auf ihre Aktualität zu prüfen.

Gründe für solche Änderungen sind u.a.:

  • Regulatorische Änderungen
  • Produktänderungen
  • Änderungen im Herstellungsprozess
  • Änderungen in der Qualitätskontrolle

Pharmahersteller müssen im Rahmen der rechtlichen und regulatorischen Anforderungen produzieren. Laufend kommen neue solcher Anforderungen hinzu und ein Teil benötigt Anpassungen von Spezifikationen oder benötigt die Etablierung zusätzlicher Spezifikationen. Beispiele der letzten Jahre sind die geforderten Umsetzungen für den Gehalt an metallischen Verunreinigungen oder an Nitrosaminen in Arzneimitteln. Die Änderungen sind nicht nur dokumentiert in die Qualitätsanforderungen bzw. das Qualitätssystem des Herstellers zu übernehmen, sondern müssen auch in den internen Herstellungs-, Kontroll- und Qualitätssicherungsprozessen integriert werden. Z. B. muss den regulatorischen Anforderungen an bestimmte analytische Prüfverfahren mit entsprechenden Änderungen in den Prüfvorschriften geantwortet werden.

Für die beim Hersteller vorliegenden Spezifikationslisten sollten klare Häufigkeiten angegeben werden, mit denen eine periodische Überprüfung (Review) auf Aktualität durchzuführen ist. Zudem müssen geeignete Ressourcen für diese Überwachungs- und Aktualisierungsaktivitäten bereitgestellt werden. Hierzu gehört auch eine möglichst geeignete Zuordnung der Spezifikationslisten zu den unterschiedlichen Funktionsbereichen und Verantwortlichkeiten innerhalb der Firma.

Eine graphische Darstellung der Hierarchie und der Abhängigkeiten der Spezifikationen inklusive einer Funktionsbeschreibung für jede Spezifikation(sliste) kann helfen, die Zusammenhänge zwischen den Spezifikationen und ihre Relevanz für das Produkt und den Herstellungsprozess darzustellen.

Zudem sollten die Prozesse der Überprüfung und der Aktualisierung der Spezifikationen beschrieben und mit Fließbildern übersichtlich und anschaulich in einer Arbeitsanweisung (SOP) dargestellt werden. Denn in der Regel werden diese Prozesse nicht durch einzelne Personen, sondern durch Personen unterschiedlicher Funktionen und durch unterschiedliche Bereiche des GMP Systems durchgeführt.

Das GMP-System wird bei behördlichen Inspektionen auch hinsichtlich der etablierten Prozesse für eine Aktualisierung der regulatorischen und internen Anforderungen sowie hinsichtlich der Ergebnisse/dem Status dieser Aktualisierung geprüft. Ein guter Aktualisierungsstatus vermeidet den Eindruck, dass ein systemisches Problem in Form eines Mangels der GMP-Aktualität vorliegt.

Im Rahmen des Lebenszyklus eines pharmazeutischen Produktes entsteht eine Vielzahl von Spezifikationen, so dass die Übersicht über ihre Relevanz, Gültigkeit und Aktualität verloren gehen kann.

Mit Hilfe geeigneter Prozesse und Maßnahmen können die Übersicht bewahrt und die Spezifikationen zielgerichtet für den Erhalt und die Verbesserung der Produkt- und Prozessqualität eingesetzt werden.

Chemgineering unterstützt sie gern bei diesem Vorhaben inklusive der Identifizierung und Umsetzung geeigneter Maßnahmen, u. a.:

  • Definition der Funktionen der Spezifikationen
  • Identifizierung von Rationalen für die Festlegung von Spezifikationen
  • Sicherstellung der Nachverfolgbarkeit von Ergänzungen und Änderungen von Spezifikationen
  • Darstellung der Hierarchie und Abhängigkeiten der Spezifikationen
  • Festlegung periodischer Aktualisierung von Spezifikationen
  • Erstellung einer SOP für die Erstellung, Überwachung und Aktualisierung von Spezifikationen
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