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Abweichungen als wesentlicher Qualitätsparameter im Pharmazeutischen Qualitätssystem

Umgang mit Abweichungen von Prozessen und Qualitätsvorgaben - Hintergrund

Für den Umgang mit Abweichungen von Prozessen und Qualitätsvorgaben muss jeder Arzneimittelhersteller geeignete Prozesse bereithalten und umsetzen, um fortlaufend die geforderte Qualität der Produkte sicherzustellen. Ursachen für Abweichungen sind vielseitig. Sie reichen von Qualitätsproblemen in den eingesetzten Rohstoffen, Materialien, Anlagen und Geräten bis zur mangelhaften Beschreibung oder Umsetzung der Herstellungs-, Prüf- und Qualitätssicherungsverfahren. Dabei können verschiedenste Gründe zu einem Stau der Bearbeitung von Abweichungen bzw. des Abweichungsmanagements führen. Die mit der Abarbeitung der Abweichungen verbundene Arbeitslast und die hiermit verknüpfte Bindung der personellen Ressourcen über alle Bereiche des Qualitätssystems kann sogar so groß werden, dass chargenrelevante Abweichungen nicht rechtzeitig bearbeitet und diese nicht ausreichend für die Freigabe der Produktchargen berücksichtigt werden. Daher prüfen aufsichtführende Behörden den Status und die Umsetzung des Abweichungsmanagements der Arzneimittelhersteller regelmäßig in ihren Inspektionen. Der vorliegende Beitrag veranschaulicht die Hintergründe und benennt Maßnahmen, wie man sich auf diese kritische Prüfung vorbereiten kann.

Abweichungen bzw. Abweichungsmanagement werden in behördlichen Inspektionen als wesentlicher Qualitätsparameter geprüft

Gemäß der EU-GMP-Richtlinie für Arzneimittel besteht das Pharmazeutische Qualitätssystem der Arzneimittelhersteller aus den drei Bereichen Produktion, Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung. Gesamtverantwortlich für die Qualität jeder Charge, die in den Markt verbracht werden soll und die damit verbundene Produktfreigabe, ist die Sachkundige Person. Da die Sachkundige Person nicht allein die Einhaltung aller GMP-relevanten Prozesse überwachen und kontrollieren kann, ist die praktische Umsetzung dieser Aufgaben der Qualitätssicherung zugeordnet. Doch auch für die Qualitätssicherung sind die Aufgaben der Überwachung und Kontrolle der GMP-Prozesse eine kaum zu bewältigende Arbeitslast. Hierzu trägt bei, dass die Qualitätssicherung innerhalb der genannten Bereiche nicht selten derjenige ist, welcher von der Firmenleitung mit den wenigsten Ressourcen ausgestattet ist und damit hinsichtlich der Erfüllung seiner Aufgaben selbst eine erhöhte „Anfälligkeit für Prozessabweichungen“ aufweist. Dies trifft insbesondere auf kleinere Betriebe (KMUs) zu.

Für die aufsichtführenden Behörden ist der Status der Abweichungsbearbeitung, insbesondere der Umgang mit kritischen Abweichungen, ein wesentlicher Indikator dafür, ob das pharmazeutische Qualitätssystem funktioniert.

Daher kontrollieren Inspektoren regelmäßig die Listen der Abweichungen des laufenden Jahres und auch vergangener Jahre hinsichtlich der Abarbeitung der Abweichungen. Geprüft wird in diesem Zusammenhang auch, ob die Ursachen für die Abweichungen korrekt ermittelt wurden und geeignete Maßnahmen (Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen) festgelegt und umgesetzt wurden, um ein Wiederauftreten der Abweichungen zu reduzieren oder zu verhindern.

Mängel, die in diesem Zusammenhang u.a. als kritisch bewertet werden:

  • generell fehlende Übersicht der Verantwortlichkeiten über den Status der Abweichungen und abgeleiteten Vorbeuge- und Korrekturmaßnahmen (CAPA),
  • Häufung von Abweichungen über z. T. Jahre hinweg, deren Bearbeitung und Abschluss damit in Frage gestellt werden muss,
  • zeitlich und inhaltlich nicht angemessene Bearbeitung kritischer Abweichungen,
  • fehlende oder nicht angemessene Ursachenanalyse insbesondere im Zusammenhang mit nicht geeigneten Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen (CAPA),
  • wiederkehrende Abweichungen insbesondere im Zusammenhang mit einer fehlenden Überprüfung der umgesetzten Vorbeuge- und Korrekturmaßnahmen (CAPA) hinsichtlich Effizienz,
  • fehlende Eröffnung und Bearbeitung von Abweichungen, die nachweislich in Prozessen aufgetreten sind bzw. dokumentiert wurden. Dieses betrifft z. B. auch Abweichungen, die innerhalb externer und interner Audits festgestellt wurden.

Ist das Abweichungsmanagement erst einmal außer Kontrolle geraten, kann es sogar dazu kommen, dass Abweichungen nur noch teilweise oder gar nicht mehr erfasst werden. Dies kann bereichsspezifisch, z. B. für die Herstellung oder die Qualitätskontrolle, aber auch über alle Bereiche einer Firma auftreten.

Die beschriebenen Mängel offenbaren den Behörden, dass die betroffenen Arzneimittelhersteller die notwendigen regulatorischen Anforderungen nicht mehr erfüllen können. In den Inspektionen führen solche Beobachtungen regelmäßig dazu, dass auch andere Kernprozesse bzw. Werkzeuge des Qualitätsmanagements intensiv überprüft werden.

Entdecken die Behörden, dass relevante Abweichungen bei der Chargenfreigabe nicht berücksichtigt wurden, erwarten die Behörden vom Hersteller ein geeignetes Vorgehen für diese betroffenen Chargen. Der Hersteller muss nachweisen, dass die Chargen die festgelegten Qualitätsanforderungen trotz der vorliegenden Abweichungen erfüllen oder, falls dies nicht möglich ist, ggf. die Chargen vom Markt zurückrufen. Eine solche Aufarbeitung für bereits auf dem Markt befindliche Chargen bedeutet einen hohen Arbeitsaufwand und, im Fall von Rückrufen, zusätzlich einen hohen finanziellen Aufwand und ggf. negative Auswirkungen auf die Reputation des Herstellers.

Wie können Arzneimittelhersteller einen Kontrollverlust über das Abweichungsmanagement verhindern und wie können sie ggf. die Kontrolle mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen wiederherstellen?   

So erhalten Sie die Kontrolle über ihr Abweichungsmanagement

Eine Prüfung des Status der Abweichungsbearbeitung gibt darüber Aufschluss, ob die zugehörigen Prozesse funktionieren und unter Kontrolle sind. Eine Sichtung der Listen der Abweichungen allein reicht allerdings hierfür nicht aus. Es ist nicht nur zu kontrollieren, dass die Liste hinsichtlich kürzlich aufgetretener Abweichungen aktuell ist, sondern auch in der zurückliegenden Herstellungsperiode aufgetretene Abweichungen komplett erfasst und gemäß den regulatorischen und firmeninternen Anforderungen bearbeitet und abgeschlossen wurden. Hierfür können z. B. die durchgeführten Prozesse der Herstellung und Qualitätskontrolle systematisch geprüft werden. Ein zusätzlicher Faktor für den Erfolg der Statusprüfung ist, dass diese durch einen neutralen Prüfer durchgeführt wird.

Unser Pharma Compliance Team unterstützt Sie mit entsprechenden Audits, die Ihr Abweichungsmanagement auf den Prüfstand stellen.

Festgestellte Mängel diskutieren wir mit Ihnen und legen gemeinsam Maßnahmen fest, um zukünftig eine effiziente Bearbeitung der Abweichungen sicherzustellen und einen „Abweichungsstau“ für die Zukunft zu vermeiden.

Wurden kritische Mängel wie oben beschrieben festgestellt, so hilft nur ein pragmatisches Konzept und Vorgehen, um den hohen Arbeitsaufwand zielgerichtet zu bewältigen. Auch bei dieser notwendigen Aufgabe hilft Ihnen unser Pharma Compliance Team gerne.

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