GxP-Blog

Quality Oversight im GMP Qualitätssystem

Die Quality Oversight rückt immer stärker in den Fokus behördlicher GxP Inspektionen

Die Qualitätsübersicht, engl.: Quality Oversight, bezeichnet die Übersicht der Qualitätseinheit über alle GxP-Prozesse des Qualitätssystems. Im Wesentlichen hat die US-FDA den Begriff Quality Oversight geprägt, auch wenn dieser Begriff in den US-Regularien noch nicht angekommen ist. Die US-FDA bemängelt in ihren Inspektionen bei pharmazeutischen Herstellern zunehmend eine fehlende Quality Oversight. Dies spiegelt sich in den Inspektionsberichten (Form 483) und den sogenannten Warning Letters wieder. Die europäischen Behörden fordern bislang Quality Oversight nicht direkt ein. Dies wird sich jedoch zumindest mittelfristig ändern. Die Gründe hierfür beschreibt der vorliegende Artikel, ebenso die Maßnahmen, die pharmazeutische Hersteller in Vorbereitung dieser Anforderung umsetzen sollten. Dies auch mit dem Ziel, Inspektionssicherheit zu erhalten.

Quality Oversight - Hintergrund

Alle Hersteller von Arzneimitteln wissen: Die Anforderungen an die Sicherheit und die Qualität der Arzneimittelprodukte steigen stetig und sind unter Berücksichtigung der fortlaufenden Anpassungen und Ergänzungen der regulatorischen und rechtlichen Anforderungen umzusetzen. Arzneimittelhersteller werden vor dem Erlangen der Herstellgenehmigung und in der Phase der Routineproduktion in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen durch die zuständigen Behörden inspiziert. In der EU erfolgt dies durch die jeweiligen zuständigen lokalen oder nationalen Überwachungsbehörden. Vermarktet der Hersteller seine Produkte im Ausland, so erfolgen ggf. zusätzliche Inspektionen durch die zuständigen ausländischen Behörden. Bei europäischen Herstellern, die ihre Produkte in den USA vermarkten, waren in den vergangenen Jahrzehnten Inspektionen durch die US-amerikanische FDA gefürchtet. Als Gründe hierfür sind eine unterschiedliche Ausrichtung, unterschiedliche thematische Schwerpunkte sowie teilweise unterschiedliche Intensität und Tiefe der US-FDA-Inspektionen im Vergleich mit den Inspektionen europäischen Behörden zu nennen. Ein Ergebnis hieraus war, dass Arzneimittelhersteller häufig für die Vor- und Nachbereitung behördlicher Inspektionen externe Beratung in Anspruch genommen haben. Nicht zuletzt ging es um das wesentliche Ziel, die Herstellungsgenehmigung zu erhalten oder verlängert zu bekommen.

Verschiedene Faktoren haben dazu beigetragen, dass Inspektionen durch ausländische Behörden, wie Inspektionen der US-FDA, bei europäischen Arzneimittelherstellern deutlich seltener stattfinden, u.a.:

  • Eine starke Zunahme der Anzahl von Arzneimittelherstellern,
  • eine Zunahme des Umfangs der zu überprüfenden Anforderungen und damit einhergehende erhöhte Anforderungen an die Inspektoren, sowie
  • limitierte Budgets, die für die Durchführung von Inspektionen zur Verfügung stehen.

Diese Faktoren führten zu einer Neuausrichtung der Ziele der behördlichen Inspektionen. Durch Anpassung und Ergänzung der Regularien wurde und wird den Herstellern fortlaufend vermehrt Eigenkontrolle abverlangt. Ihr Qualitätssystem muss eine ausreichende Eigenkontrolle über die Sicherstellung der Qualität der Arzneimittel aufweisen. Die behördlichen Inspektionen konzentrieren sich immer mehr auf die Überwachung, dass diese Eigenkontrolle im Rahmen des Pharmazeutischen Qualitätssystems funktioniert.

Hinzu kommt, dass zwischen vielen Ländern und Regionen sogenannte Mutual Recognition Agreements (MRAs) geschlossen wurden, die gegenseitig die behördlichen Inspektionen bzw. Inspektionsergebnisse anerkennen. Ermöglicht wurde dies nicht zuletzt durch eine weitgehende Harmonisierung der regulatorischen Anforderungen.

Die Corona-Pandemie hat zusätzlich dazu beigetragen, dass Inspektionen durch ausländische Behörden verschoben wurden, Inspektionen im „Remote-Modus“ durchgeführt wurden, oder im Rahmen der MRAs die Inspektionen der lokalen Behörden als ausreichend akzeptiert wurden. Letzteres führt dazu, dass die Inspektionen der lokalen Behörden ein stärkeres Gewicht bekommen, auch weil der Standard der Inspektionen aufgrund der MRAs länderübergreifend auf ein gemeinsames und voraussichtlich höheres Niveau angehoben wird. Der Rückstau verschobener Inspektionen ausländischer Behörden wird diese Tendenz zukünftig noch verstärken.

In den Inspektionen der US-amerikanischen Behörde ist die Überprüfung der Quality Oversight bereits seit Jahren ein Schwerpunkt. Welche Wichtigkeit hat die Quality Oversight in den Inspektionen der europäischen Behörden und brauchen sich die Hersteller in der EU aufgrund der niedrigen und abnehmenden Anzahlen der Inspektionen der US-FDA nicht auf das Thema Quality Oversight vorzubereiten?

Quality Oversight ist zunehmend auch Schwerpunkt der Inspektionen der europäischen Überwachungsbehörden

Führt man sich die typischen behördlichen Beobachtungen bzw. festgestellten Mängel hinsichtlich des Themas „Übersicht der Qualitätseinheit“ vor Augen, so erkennt man schnell, dass auch die europäischen Behörden die zugehörigen Systeme und Prozesse in ihren Inspektionen mit Schwerpunkt berücksichtigen. Solche typischen Mängel sind u.a.:

  • Häufung der Nichteinhaltung von schriftlichen Verfahren der Produktion und Qualitätskontrolle,
  • Verlust der Dokumentenkontrolle, u.a. durch Verwendung nicht gelenkter oder nicht freigegebener Dokumente,
  • fehlende oder nicht angemessene Abarbeitung von Reklamationen, insbesondere kritischer Reklamationen in Verbindung mit einer fehlenden Ursachenanalyse,
  • Häufung von Out-Of-Specification (OOS) Ergebnissen in der Freigabeanalytik der Arzneimittel, insbesondere im Fall wiederkehrender OOS Fälle und fehlender Abstellung der Ursache(n),
  • Anhäufung von offenen Abweichungen, insbesondere für den Fall, dass kritische Abweichungen über Jahre nicht eröffnet oder geschlossen wurden und die abgeleiteten Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen nicht umgesetzt und ihre Wirksamkeit nicht kontrolliert wurde,
  • Häufung nicht abgeschlossener Änderungsverfahren (Change Control Verfahren),
  • Verlust der Übersicht des Qualitätsmanagements über den Qualifizierungs- und Validierungsstatus der Räume, Anlagen, Geräte, Herstellprozesse und Prüfmethoden,
  • fehlendes oder rudimentäres Risikomanagement. Fehlen von Vorgaben, in welchen Fällen ein risikobasiertes Vorgehen umgesetzt werden muss,
  • fehlende Übersicht über den Qualifizierungsstatus des Personals inklusive Schulungssystem,
  • fehlende Übersicht über die Eignung der für die Produktion und die Qualitätsprüfung eingesetzten Rohstoffe und Materialien,
  • fehlende Übersicht über den Qualifizierungsstatus der Lieferanten.

In den genannten Fällen geht es nicht selten um einen kompletten Kontrollverlust. Der Kontrollverlust über ein System oder einen Prozess und die Aufwendungen zur Wiedererlangung der Kontrolle bindet die Ressourcen der Qualitätssicherung so stark, dass oft die Überwachung weiterer Systeme und Prozesse gefährdet ist oder scheitert. Die aufzuarbeitende Arbeitslast für die Qualitätssicherung häuft sich über lange Zeit und zum Teil über Jahre hinweg soweit an, dass mit den bestehenden personellen Ressourcen eine Abarbeitung schwierig bis unmöglich ist. Die Qualitätssicherung ist letztlich so stark überlastet, dass sie weder ihrer Aufgabe, die Bereiche der Produktion und Qualitätskontrolle zu überwachen, noch der Umsetzung ihrer eigenen Prozesse, gerecht wird.

Unsere Beobachtungen zeigen, dass in Fällen fehlender Quality Oversight häufig ein Mangel an personellen Ressourcen bei der Qualitätssicherung bzw. in der Bearbeitung QS-relevanter Prozesse innerhalb Qualitätssicherung, aber auch der Produktion und Qualitätskontrolle, ursächlich ist. Dieser Mangel ist zum Teil „historisch gewachsen“, weil allein dem Umstand der Zunahme der regulatorischen und rechtlichen Anforderungen nicht mit der Bereitstellung angemessener Ressourcen begegnet wurde. In anderen Fällen wurde zusätzlich nicht berücksichtigt, dass die Firma ohne Einbeziehung der Qualitätssicherung ein deutliches Wachstum vollzogen hat.   

Die Unterschiede der Quality Oversight zwischen dem FD&C Act und der EU GMP Richtlinie liegen in der Interpretation der Frage, in welchen Anforderungen der Regularien die Quality Oversight implementiert ist. Die Praxis zeigt, dass diese Frage eigentlich keine Relevanz besitzt, da die oben dargestellten Mängel von der US-FDA und den EU-Behörden im Wesentlichen gleich beurteilt werden. Damit können sich die europäischen Hersteller trotz abnehmender Anzahl der Inspektionen der US-FDA nicht „sicherer“ fühlen. Dies insbesondere nicht in Anbetracht der erwähnten MRAs und der historischen Entwicklung der Inspektionsziele. Im Gegenteil ist mit einer Zunahme der Überprüfung der Eigenkontrolle der Hersteller im Rahmen der behördlichen Inspektionen zu rechnen.

Doch wie sollen die Hersteller auf diese Entwicklung reagieren?

Ihr Vorgehen zur Sicherstellung der Quality Oversight

Ein proaktives Vorgehen ist grundsätzlich einem reaktiven Vorgehen vorzuziehen. Wesentliche Maßnahme ist, im Vorwege der behördlichen Inspektionen sicherzustellen, dass die kritischen Prozesse, einschließlich der Qualitätssicherungsprozesse, funktionieren. Denn an diesen Prozessen wird jede Behörde Ihr pharmazeutisches Qualitätssystem prüfen, unabhängig davon, ob eine Qualitätseinheit oder die Sachkundige Person in gemeinsamer Verantwortung mit den Bereichen Qualitätskontrolle, Herstellung und Qualitätssicherung im Pharmazeutischen Qualitätssystem für die Überwachung und Sicherstellung der Funktion dieser Prozesse zuständig ist.

Unser Pharma Compliance Team unterstützt Sie mit Gap-Analysen und Mock Inspektionen, die Ihre Quality Oversight auf den Prüfstand stellen. Die oben gelisteten Mängel gilt es zu vermeiden. Hierfür müssen die Prozesse praxistauglich entwickelt bzw. überprüft und angepasst werden, auch mit dem Ziel, dass sie mit den geplanten Ressourcen umsetzbar sind.

Hierzu gehören insbesondere die Systeme und Prozesse:

  • Herstellung, Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung,
  • Dokumentenmanagement bzw. Dokumentenlenkung,
  • Beschwerde- bzw. Reklamationsmanagement
  • Out-Of-Specification (OOS) Verfahren,
  • Abweichungsmanagement,
  • Änderungsmanagement,
  • Qualifizierung und Validierung von Räumlichkeiten, Anlagen, Geräten, Herstellungsverfahren und Prüfmethoden,
  • Risikomanagement,
  • Schulungssystem und Schulungen,
  • Lieferantenqualifizierung.

Unser Pharma Compliance Team hilft Ihnen gerne bei diesen notwendigen Aufgaben.

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