Alle Hersteller von Arzneimitteln wissen: Die Anforderungen an die Sicherheit und die Qualität der Arzneimittelprodukte steigen stetig und sind unter Berücksichtigung der fortlaufenden Anpassungen und Ergänzungen der regulatorischen und rechtlichen Anforderungen umzusetzen. Arzneimittelhersteller werden vor dem Erlangen der Herstellgenehmigung und in der Phase der Routineproduktion in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen durch die zuständigen Behörden inspiziert. In der EU erfolgt dies durch die jeweiligen zuständigen lokalen oder nationalen Überwachungsbehörden. Vermarktet der Hersteller seine Produkte im Ausland, so erfolgen ggf. zusätzliche Inspektionen durch die zuständigen ausländischen Behörden. Bei europäischen Herstellern, die ihre Produkte in den USA vermarkten, waren in den vergangenen Jahrzehnten Inspektionen durch die US-amerikanische FDA gefürchtet. Als Gründe hierfür sind eine unterschiedliche Ausrichtung, unterschiedliche thematische Schwerpunkte sowie teilweise unterschiedliche Intensität und Tiefe der US-FDA-Inspektionen im Vergleich mit den Inspektionen europäischen Behörden zu nennen. Ein Ergebnis hieraus war, dass Arzneimittelhersteller häufig für die Vor- und Nachbereitung behördlicher Inspektionen externe Beratung in Anspruch genommen haben. Nicht zuletzt ging es um das wesentliche Ziel, die Herstellungsgenehmigung zu erhalten oder verlängert zu bekommen.
Verschiedene Faktoren haben dazu beigetragen, dass Inspektionen durch ausländische Behörden, wie Inspektionen der US-FDA, bei europäischen Arzneimittelherstellern deutlich seltener stattfinden, u.a.:
- Eine starke Zunahme der Anzahl von Arzneimittelherstellern,
- eine Zunahme des Umfangs der zu überprüfenden Anforderungen und damit einhergehende erhöhte Anforderungen an die Inspektoren, sowie
- limitierte Budgets, die für die Durchführung von Inspektionen zur Verfügung stehen.
Diese Faktoren führten zu einer Neuausrichtung der Ziele der behördlichen Inspektionen. Durch Anpassung und Ergänzung der Regularien wurde und wird den Herstellern fortlaufend vermehrt Eigenkontrolle abverlangt. Ihr Qualitätssystem muss eine ausreichende Eigenkontrolle über die Sicherstellung der Qualität der Arzneimittel aufweisen. Die behördlichen Inspektionen konzentrieren sich immer mehr auf die Überwachung, dass diese Eigenkontrolle im Rahmen des Pharmazeutischen Qualitätssystems funktioniert.
Hinzu kommt, dass zwischen vielen Ländern und Regionen sogenannte Mutual Recognition Agreements (MRAs) geschlossen wurden, die gegenseitig die behördlichen Inspektionen bzw. Inspektionsergebnisse anerkennen. Ermöglicht wurde dies nicht zuletzt durch eine weitgehende Harmonisierung der regulatorischen Anforderungen.
Die Corona-Pandemie hat zusätzlich dazu beigetragen, dass Inspektionen durch ausländische Behörden verschoben wurden, Inspektionen im „Remote-Modus“ durchgeführt wurden, oder im Rahmen der MRAs die Inspektionen der lokalen Behörden als ausreichend akzeptiert wurden. Letzteres führt dazu, dass die Inspektionen der lokalen Behörden ein stärkeres Gewicht bekommen, auch weil der Standard der Inspektionen aufgrund der MRAs länderübergreifend auf ein gemeinsames und voraussichtlich höheres Niveau angehoben wird. Der Rückstau verschobener Inspektionen ausländischer Behörden wird diese Tendenz zukünftig noch verstärken.
In den Inspektionen der US-amerikanischen Behörde ist die Überprüfung der Quality Oversight bereits seit Jahren ein Schwerpunkt. Welche Wichtigkeit hat die Quality Oversight in den Inspektionen der europäischen Behörden und brauchen sich die Hersteller in der EU aufgrund der niedrigen und abnehmenden Anzahlen der Inspektionen der US-FDA nicht auf das Thema Quality Oversight vorzubereiten?